Carl Humann
Carl Humann wurde am 1. April 1839 in Steele an der Ruhr geboren. Von 1850–1859 besuchte er das Burggymnasium in Essen. Seine sich schon früh manifestierende zeichnerische und mathematische Begabung führte ihn zum Entschluss, Bauingenieur zu werden. Nachdem er 1859/1860 als Ingenieursaspirant in der Umgebung seiner Heimat an Feldmess- und Eisenbahnbauarbeiten mitwirkte, nahm er 1860 ein Studium an der Königlichen Bauakademie in Berlin auf. Eine chronische Lungenerkrankung zwang ihn jedoch bald zum Abbruch seines Studiums. Auf Anraten seines Bruders Franz reiste er daraufhin nach Samos. Dieser war dort als Bauingenieur für die osmanische Verwaltung der Insel Samos tätig und holte Carl zur Erholung auf die Insel, wo jener in Kooperation mit dem Berliner Professor Strack Teile des Heraions ausgrub. Seinen ursprünglich nur als vorübergehend geplanter Aufenthalt im Osten verlängerte er wegen Bauaufträgen in Smyrna (Izmir) und Istanbul und entschied sich schließlich in der Türkei zu bleiben. In Istanbul lernte er den Großwesir Fuad Pascha kennen, in dessen Auftrag er tätig wurde, um 1864–1866 geeignete Areale für Straßen- und Eisenbahnstrecken im osmanischen Reich zu identifizieren.
Seine Reisen führten ihn zu dieser Zeit erstmals nach Bergama (Pergamon), wo er eine erste Reliefplatte der Gigantomachie des Pergamonaltars sah. Seinen Einfluss bei Fuad Pascha nutzte er dort, um die Zerstörung von Marmorblöcken in Kalköfen auf der Burg von Pergamon zu unterbinden. 1867 erhielt sein Bruder Franz vom Sultan den Auftrag, Fernstraßen zu bauen. Auch Carl und sein Bruder Wilhelm beteiligten sich an diesem Projekt, wobei Carl, dessen Interesse an den Antiken Pergamons geweckt war, die Verlegung des Hauptquartiers der Maßnahmen nach Bergama erreichte. In der Folgezeit bemühte sich Carl Humann zunächst vergeblich darum, den damaligen Leiter der Berliner Antikensammlung Ernst Curtius zu einer Ausgrabung in Pergamon zu bewegen, sandte Antiken in die deutsche Hauptstadt und fand in dem seit 1877 als Direktor der Skulpturengallerie in Berlin tätigen Alexander Conze schließlich einen Verbündeten für sein Vorhaben. Mit diesem kam er überein, Ausgrabungen auf der Burg von Pergamon durchzuführen, die zunächst ausschließlich auf die Auffindung weiterer Teile des Gigantomachie-Frieses des Pergamonaltars abzielten. Als es schließlich gelang, die Reliefs mit dem literarisch überlieferten großen Altar der Stadt zu identifizieren und die Fundamente dieses Bauwerks freizulegen, erfuhr das Projekt weitere Förderung durch das deutsche Kultusministerium und den preußischen Kronprinzen. Bis 1886 wurden unter Humanns Leitung auf der Oberburg neben dem Pergamonaltar u. a. das Theater, das Traianeum, die Palastanlagen der Attaliden und das Athena-Heiligtum freigelegt. Humann war es auch, der das außerhalb der Stadt gelegene bedeutende Asklepios-Heiligtum entdeckte.
Carl Humanns Beiträge zur archäologischen Erforschung Kleinasiens gehen weit über die seine heutige öffentliche Wahrnehmung prägende Erforschung Pergamons und die Entdeckung des Pergamonaltars hinaus. So untersuchte er mit Richard Bohn auch die bei Pergamon gelegene Stadt Aigai, erforschte mit C. Cichorius, W. Judeich und Fr. Winter die Nekropolen von Hierapolis (Pamukkale), unternahm zwischen 1890 und 1893 Ausgrabungen in Magnesia am Mäander und initiierte 1895 die systematische archäologische Erforschung Prienes. 1883 brach Humann zudem im Auftrag der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften mit Otto Puchstein in das Gebiet des antiken Königreichs Kommagene auf. Dort besuchten sie nicht nur das kurz zuvor entdeckte Grabheiligtum des kommagenischen Königs Antiochos‘ I. auf dem Nemrud Dağı, sondern unternahmen auch Reisen zu anderen Stätten der Region wie beispielsweise Gerger, Karakuş, Sesönk und Samosata, wo sie Inschriften und archäologische Zeugnisse aufnahmen. Diese Expedition, deren Ergebnisse in einer bis heute viel rezipierten Monographie „Reisen in Kleinasien und Nordsyrien“ publiziert wurden, steht am Beginn der archäologischen Erforschung dieser Landschaft.
Humann lebte seit 1873 bis zu seinem Tod in Smyrna. Im gleichen Jahr hatte er Louise Werwer geheiratet, mit der er vier Kinder bekam. Der türkischen Kultur fühlte er sich äußerst verbunden und pflegte enge Beziehungen zu seinen dortigen Mitmenschen. Am 12. April 1896 starb Carl Humann, der schon seit langem körperlich stark geschwächt war, im Alter von 57 Jahren und wurde in seiner Wahlheimat Smyrna begraben. 1967 wurden seine sterblichen Überreste, nachdem der katholische Friedhof in Izmir aufgelassen worden war, nach Pergamon überführt und auf der oberen Agora unter einer Granitplatte bestattet.
Carl Humann wurde für seine vielfältigen wissenschaftlichen Verdienste bereits zu Lebzeiten mit zahlreichen Ehren bedacht. So wurde er u. a. 1879 zum ordentlichen Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts ernannt, 1880 erfolgte die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Philosophische Fakultät der Universität Greifswald und 1890 die Ernennung zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt Steele. Nach seinem Tod wurden ihm weitere Ehren zuteil. In Steele (heute ein Stadtteil Essens) wurde 1935 ein Gymnasium nach ihm benannt und auf dem dortigen Kaiser-Otto-Platz, an dem sein Elternhaus gestanden hatte, steht heute eine Büste mit seinem Porträt. Dieses Bildnis geht auf eine von Adolf Brütt geschaffene Porträtbüste im Pergamon-Museum in Berlin zurück. Ebenfalls in Berlin finden sich in Brenzlauer-Berg eine Carl-Humann-Grundschule und ein Humannplatz.